Nachhaltigkeit

Interview mit Benjamin Wilms
Mit Smartifizierung und Digitalisierung die Zukunft nachhaltig gestalten

Interview mit Benjamin Wilms

Arbeitsauftrag: Zukunftsgestaltung. Benjamin Wilms ist der Bereichsleiter für Produktmanagement und Entwicklung bei der Busch-Jaeger Elektro GmbH und gleichzeitig Global Research & Development Manager für den Bereich Building and Home Automation Solutions der ABB-Gruppe.
Er beschäftigt sich täglich mit der Frage, wie Technologie und Produktgestaltung eine nachhaltige Zukunft beeinflussen und mitgestalten können. Wir wollten von ihm wissen, welche Herausforderungen und Trends es gibt und welche Lösungen Busch-Jaeger dazu beiträgt.

Benjamin, gerätst du in einen Rollenkonflikt, wenn du aus den unterschiedlichen Perspektiven des Unternehmers und der Privatperson in die Zukunft schaust?

Erfreulicherweise überhaupt nicht. Als Vater von drei Kindern wünsche ich mir natürlich eine nachhaltige und friedliche Zukunft, die wir gemeinsam gestalten. Das wünsche ich mir auch aus einer unternehmerischen Sicht. Ich sehe uns als Innovationsteam bei Busch-Jaeger und als starker Teamspieler im globalen Innovationsnetzwerk der ABB in besonderer Verantwortung, hierzu einen Beitrag zu leisten. Diese Verantwortung ist sowohl Teil unserer Busch-Jaeger DNA als auch klarer Auftrag in unserem „ABB Purpose“: über technologischen Fortschritt kontinuierlich die Transformation zu einer produktiveren und nachhaltigeren Zukunft voranzutreiben.

Was genau bedeutet Nachhaltigkeit bei Busch-Jaeger und wie zeigt es sich in konkreten Handlungsschwerpunkten und Innovationsvorhaben?

Nachhaltigkeit bildet bei Busch-Jaeger das Fundament der Unternehmenspolitik. Die Betrachtung ist ganzheitlich: Ein klarer Schwerpunkt liegt in der nachhaltigen Produkt- und Prozessgestaltung. Darüber hinaus ist ökonomisches und auch soziales Handeln im Sinne aller Interessensgruppen einschließlich unserer Kunden, der Gesellschaft und natürlich der Mitarbeitenden für das Unternehmen wichtig. Ein zentraler Aspekt der Nachhaltigkeitsausrichtung ist unter anderem die Fragestellung, wie wir ein Produkt mit einem möglichst geringen CO2-Footprint realisieren. Da nutzen wir bei Busch-Jaeger viele Möglichkeiten: Rezyklat-Einsatz im Kunststoffbereich, low-power Technologie und effiziente embedded- Software-Architekturen. Wir optimieren auch die technische Kreislauffähigkeit unserer Produkte. Unsere Schalterserien future linear®, Busch-axcent® und Busch-balance® sind bereits Cradle-to-cradle-zertifiziert, sukzessive Erweiterungen sind geplant. Wir haben auch Innovationsprojekte in der Pipeline, die uns signifikant weiterbringen werden und bauen intensive Partnerschaften in der Materialentwicklung aus. Ein Produktbeispiel für low-power Elektronik und effiziente embedded Software ist unser Smart Home System Busch-flexTronics® wireless mit den neuen Busch-flexTronics®-Einsätzen, bei dem wir die Leistungsaufnahme gegenüber der Vorgänger-Generation um ein Vielfaches reduzieren konnten. In der Produktionstechnologie können wir mit unserer „Mission to Zero“, die aus der Vision einer energieautarken und CO2-neutralen Industrieproduktion entstanden ist, große Erfolge nachweisen. Hier ist unser erster nahezu klimaneutraler Fertigungsstandort Lüdenscheid zu nennen. An Sonnentagen deckt die Photovoltaikanlage bis zu 100 Prozent des Strombedarfs. Pro Jahr wird dort rund 1100 MWh an klimaneutralem Sonnenstrom produziert – also etwa der Jahresbedarf von 340 Privathaushalten.

˚
Unsere Schalterserien future linear®, Busch-axcent® und Busch-balance® sind bereits Cradle-to-Cradle-zertifiziert, sukzessive Erweiterungen sind geplant.
Benjamin Wilms

Busch-Jaeger treibt die digitale Transformation mit voran. Was hat Digitalisierung mit Nachhaltigkeit zu tun – und wie kann Busch-Jaeger einen wesentlichen Beitrag über das smartifizierte Zuhause leisten?

Mit Smartifizierung und Digitalisierung setzen wir einen ganz klaren Booster im Bereich der Nachhaltigkeitsausrichtung. Es geht dabei nicht nur um die Minimierung des Footprints, es geht auch um die Maximierung des Handprints, also darum, was wir mit dem Einsatz unserer Lösungen für unsere Kunden erreichen können. Dies beginnt mit einfachen, smarten Anwendungen wie Bewegungsmelder oder Raumtemperaturregler, die mit jedem eingesparten Grad den Energieverbrauch um ca. 6 Prozent senken. Noch interessanter wird es dann, wenn wir in eine übergreifende Vernetzung gehen und die Leistungssteuerung im Gebäude gewerkeübergreifend zusammenbringen. Hier ermöglichen wir beispielsweise über KNX oder unser offenes Ecosystem Busch-free@home® eine bedarfsabhängige Energiesteuerung. So entstehen Energieeffizienzpotenziale mit Einsparungen von bis zu 30 Prozent in der Gebäudeautomation. Digitalisierung ist die nächste Stufe, die auf Smartifizierung aufbaut. Wir adressieren als Busch-Jaeger gemeinsam mit unseren Fachpartnern jährlich viele Millionen Installationspunkte. Mit der Smartifizierung der installierten Basis haben wir gemeinsam eine Chance, diese um digitale Lösungen zu erweitern. Mit Hilfe relevanter Daten können bessere Entscheidungen zur Optimierung der Gebäudenutzung getroffen werden. Dieser Hebel wird umso größer, je stärker wir in offenen, digitalen Ecosystemen zusammenarbeiten. Ganz konkret können wir durch die kontinuierliche Weiterentwicklung von Busch-free@home® nicht nur die Chancen nutzen, die wir im smarten Netzwerk der ABB zum Energiemanagement und zum EV-Charging haben, sondern auch mit starken Partnern zusammenarbeiten. So nutzen wir über die wibutler alliance die Möglichkeit, eine heterogene Gerätevielfalt zu einem homogenen Gesamtsystem inkl. Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik zu vernetzen. Bei unseren Partnerschaften, zum Beispiel ganz aktuell mit Samsung, geht es darum, Stärken im Sinne einer nachhaltigen Zukunft zu kombinieren und unseren Kunden einen noch größeren Nutzen bieten zu können.

Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz (AI) bei den Lösungsangeboten von Busch-Jaeger für eine nachhaltige Zukunft?

Wenn wir über Technologie sprechen, ist AI ein wesentlicher Faktor bei der Erreichung unserer Nachhaltigkeitsziele. Eine effektive Nutzung von AI baut konsequent auf der beschriebenen Smartifizierung und Digitalisierung auf. In unserem Team der ABB Building and Home Automation Solutions hat sich in den letzten zwei Jahren viel in diesem Bereich getan. Zum Beispiel haben wir nach der Akquisition von Cylon Controls ein Technologieinvestment in Richtung Brainbox AI getätigt, ein Startup aus Montreal und Innovationspreisträger beim COP26 in 2021. Wir arbeiten auch mit vielen weiteren Startups zusammen und veranstalten Startup-Challenges. Aus früheren Startup-Challenges ist z.B. die Zusammenarbeit mit Mavenoid entstanden. Hier nutzen wir AI in der technischen Produktunterstützung. Prominente Beispiele für AI sind natürlich auch die üblichen Assistenten rund um Amazon Alexa und Google Home, welche wir ebenfalls für unser Leistungsangebot mit in Busch-free@home® integriert haben.

Wie groß ist eigentlich der Einfluss von Gebäuden und besonders von Privathaushalten mit Blick auf die allgemeine CO2-Bilanz?

Der Einfluss ist nicht zu unterschätzen. Fast ein Drittel des globalen Energieverbrauchs und fast 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes gehen auf Gebäude zurück. Die Reduzierung dieses Einflusses ist eine der größten Klimaherausforderungen unserer Zeit und eine der größten Chancen für die Zukunft. Nachhaltiges Bauen und CO2-neutrale Eigenheime liegen im Trend. Das internationale Marktforschungsunternehmen „The Business Research Company“ hat herausgefunden, dass im letzten Jahr die Investitionen in grüne Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser jeweils bei mehr als 100 Milliarden US-Dollar lagen, Tendenz deutlich steigend.

Ist das Smarter Home als Standard angekommen?

Wenn ich mir die Entwicklungen der letzten Jahre und die Prognosen für die nahe Zukunft ansehe, kann ich persönlich die Frage klar mit „ja“ beantworten. Es gilt dabei, die Einstiegsschwelle für professionell installierte Systeme so niedrig und so einfach wie möglich zu gestalten. Spätestens mit Busch-flexTronics® wireless ist ein System als Standard-Wahl da, welches ab dem ersten Gerät einen Einstieg in das Smarter Home erlaubt und gleichzeitig Investitionssicherheit und nachhaltige Skalierungsmöglichkeiten bietet.

Welche Herausforderungen gilt es im Bereich Smarter Home mit Blick auf Akzeptanz und Nachhaltigkeit zu meistern?

Hier sind die Komplexität und die Kompatibilität verschiedener Anwendungen wichtige Themen. Auch hier helfen offene Ecosysteme, unterschiedliche Kommunikationsstandards und Anwendungen in eine einheitliche Nutzererfahrung zu integrieren. Es wird interessant zu sehen, welche Rolle dabei z.B. KNX, IoT oder Matter in Zukunft spielen werden. Für eine positive Nutzererfahrung zählen sowohl ein überzeugendes Produktdesign als auch die reibungslose Interaktion zwischen Mensch und Gebäude. Das gilt für den kompletten Lebenszyklus in allen Stufen der Smartifizierung und Digitalisierung bis hin zur künstlichen Intelligenz. Häufig dominiert das Narrativ, dass sich Technologie vollständig in den Hintergrund verlagert. Auf der anderen Seite sehen wir, dass Technologie erlebbar und erfahrbar sein kann und ebenso Spaß machen kann. Neben einer sicheren, smarten und nachhaltigen Elektrifizierung spielt aus meiner Sicht also das Erlebnis an der Schnittstelle zwischen Menschen und Gebäudetechnik eine entscheidende Rolle. Genau dies wollen wir unseren professionellen Partnern und deren Kunden mit der Smarter Gallery bieten.